Ein zeitgenössischer Bericht aus einem deutschen Ärztemagazin.
Datum: 17.09.2001
"Asbest in der Luft wäre gefährlich"
Ingrid Müller
Nach dem Terroranschlag in den USA belasten Staub und Rauch die Gesundheit der Bevölkerung. Asbest gilt als besonders gefährlich. Jetzt gaben US-Experten Entwarnung
Der Einsturz des World Trade Centers nach dem Terror-Anschlag in New York "ist mit einem Vulkanausbruch vergleichbar", sagt die Pulmonologin Lisa Maier vom National Jewish Medical Center. Schwebeteilchen aus den riesigen Staubwolken sind gefährlich für die Lungen, große Zement- und Erdteilchen verstopfen Nase und Rachen. Auch Schäden an den Augen sind nicht ausgeschlossen, da Partikel die Hornhaut zerkratzen können, so ein Bericht von ABC News. Die Medizinerin Regina Gaub vom Klinikum Benjamin Franklin in Berlin sagt im Netdoktor-Gespräch: "Der Betonstaub ist nicht so dramatisch", hier könnten sich die Menschen mit Atemmasken schützen. "Wenn sich aber Asbest in der Luft befindet, könnte es gefährlich werden - für Gesunde und Kranke." Bei der Verbrennung des giftigen Stoffes entstehe Asbeststaub. Atmen ihn die Menschen ein, können sie später Lungenkrebs (Pleurakarzinom) bekommen. "Am gefährlichsten sind Asbestfasern, die sich in der Lunge festhaken", so Gaub. "Ein oder zwei Fasern reichen hier schon."
Umweltvertreter und Ärzte in den USA gaben nun Entwarnung. Nach einem Bericht in der New York Times entspricht die Belastung einem Smog-Tag. Luftuntersuchungen und Tests der staubüberzogenen Partikel unterstützen die Angaben von staatlichen Gesundheits- um Umweltexperten. Die Luftproben stammen von dem in Windrichtung liegenden glimmenden Schutt. Sie wurden am Dienstag und Mittwoch vorwiegend in Brooklyn entnommen. Die Werte für Asbest, Blei und toxischen organischen Bestandteilen sind nach Angaben der Environmental Protection Agency (EPA) nicht gefährlich. "Die am Dienstag entnommen Proben zeigten zwar noch eine erhöhte Asbest- und Blei-Belastung, am Mittwoch fielen die Werte jedoch auf ein unbedrohliches Level", erklärte Bonnie Bellow von der EPA. Das US-Arbeitsministerium hatte vergangene Woche vor einer Asbestinhalation gewarnt, da dies zu einer Asbestose, Lungenkrebs, Speiseröhren-, Magen- und Darmkrebs führen kann. Asbest wurde vor einem Verbot in den 70er und 80er Jahren in flammenhemmenden Mitteln und Dämmstoffen eingesetzt. Vor zehn Jahren wurde die giftige Substanz im World Trade Center zum Schutz der Gesundheit verkapselt.
Staub ist für gesunde Menschen mit einem intakten Immunsystem weitgehend ungefährlich, so lange sie ihm nicht dauerhaft ausgesetzt sind. "Gesunde Menschen kommen damit gut zurecht", meint Gaub. Allerdings könne die staubige Luft Asthmaanfälle auslösen - auch bei Gesunden, die nichts von ihrem Asthma wissen (latentes Asthma). Wer eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung oder Asthma habe "soll sich von Manhattan fernhalten", empfiehlt die Expertin. Drehen sich Wind und Staubwolke, wie es offenbar derzeit der Fall ist, wird es für alle in New York gefährlich. Gaub sagt: "Kranke sollten auf jeden Fall weg fahren. In ganz Manhattan müssen Atemmasken verteilt werden, die Nase und Mund schützen." Gaub sieht noch eine andere Gefahr. In den Büros der World Trade Centers hätten sich unter anderem viele Drucker und Faxgeräte befunden. Schmilzt das Plastik entstehen giftige Dämpfe, die Dioxine und Furane enthalten. Auch diese gelten langfristig als krebsgefährdend.
"Wer sich nicht dort aufhalten muss, sollte weg"
Um die Bevölkerung zu schützen, empfiehlt der Lungenspezialist George Leikauf vom University of Cincinnati Medical Center: "Personen mit Erkrankungen der Atemwege, besonders mit chronischen Lungenerkrankungen wie Asthma und Bronchitis, wird vom Verlassen der Häuser abgeraten." Kleinere Partikel sowie durch die Explosion und das Feuer verursachte Gase und Rauch sind hochtoxisch. Sie enthalten eine Reihe von Reizstoffen, die zu Spasmen der Atemwege und zu Asthmaanfällen führen können. "Diese Personengruppe, sowie ältere Menschen und Kinder sollten für die nächsten 24 Stunden im Haus bleiben", betonte der Lungenexperte. John Balmes von der American Lung Association fordert die Bevölkerung auf, beim Verlassen von Gebäuden Masken zu tragen, um die Einatmung feiner Partikel zu vermeiden. Normale Tücher hätten die gleiche Wirkung. Die Gesellschaft empfiehlt außerdem, dass Menschen mit Herz- und Lungenbeschwerden Reinigungsaktivitäten in betroffenen Gebieten vermeiden sollen. Bei Autofahrten durch zerstörte Stadteile wird vom Öffnen der Fenster abgeraten. Regina Gaub sagt: "Jeder, der sich dort nicht unbedingt aufhalten muss, sollte weg."
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