Pakt mit dem Terror:
Die Drahtzieher des 11. September berichten
1.6.2003 | 22:45
Nach Djerba, Bali, Moskau und Kenia haben die blutigen Selbstmordattentate in Riad am 14. Mai 2003 erneut unter Beweis gestellt, dass die Netzwerke des Terrorismus nach wie vor handlungsfähig sind. Der Anschlag in der saudi-arabischen Hauptstadt trug die Handschrift von Al Kaida. Kein Zweifel: Die Schlagkraft von Osama bin Ladens Terrororganisation ist ungebrochen, auch wenn die amerikanischen Behörden und der pakistanische Geheimdienst inzwischen zahlreiche Kader verhaftet haben - darunter die beiden Drahtzieher des Anschlags vom 11. September Ramzi Binalshib und Khalid Sheikh Mohammed. Im April 2002 hatten sie zum Interview geladen. Dem Chefkorrespondenten des arabischen Fernsehsenders Al Dschasira, Yosri Fouda war es gelungen, das Netz der Geheimhaltung zu durchdringen und mit den beiden Topterroristen zu sprechen. Vor der Kamera berichteten sie, wie der 11. September von langer Hand vorbereitet, technokratisch geplant und durchgeführt wurde. Nun haben Yosri Fouda und der Chefreporter der Londoner Sunday Times, Nick Fielding, das Material und eine Fülle weiterer Recherchen zu einem Insider-Report verarbeitet, der soeben unter dem Titel "Masterminds of Terror. Die Drahtzieher des 11. September berichten" im Europa Verlag erschienen ist.
Nick Fielding, Yosri Fouda: Masterminds of Terror.
Die Drahtzieher des 11. September berichten. Der Insider-Report von al-Qaida.
Europa Verlag 2003
ISBN: 3-203-77200-0, Preis: 14,90 Euro
Das Buch
Das Buch basiert auf dem weltweit einzigen Interview, das Ramzi Binalshib und Khalid Sheikh Mohammed einem Fernsehsender gegeben haben. Bereits die Schilderung, wie Yosri Fouda von London ins pakistanische Karatschi reiste, macht die konspirative Vorgehensweise des Terrornetzwerks deutlich. Während des Gesprächs haben die beiden Drahtzieher des 11. September ein vollständiges, wenn auch nicht gerichtsverwertbares Geständnis abgelegt. Detailliert beschreiben sie die langfristige Vorbereitung der Flugzeugentführungen und erläutern, wie die Kommunikation zwischen Ramzi Binalshibh und Flugzeugentführer Mohammed Atta übers Internet funktionierte. Ramzi Binalshibh, ein ehemaliger Mitbewohner von Atta, war ebenfalls als Pilot vorgesehen, hatte aber kein Visum zum Flugtraining in den USA erhalten. "Alles, was sie mir erzählten, war einfach bizarr", erinnert sich Yosri Fouda. "Damals wusste man ja noch nicht viel. Und allein schon, dass sich die beiden als die Hauptverantwortlichen für den 11. September vorstellten, dass sie mir alle Details der Planungen erzählten, war aufregend und überraschend genug. Aber dann sagten sie mir noch, ursprünglich hätten sie Atomkraftwerke angreifen wollen und würden das auch für die Zukunft nicht ausschließen. Sie erzählten mir von dem letzten Telefonanruf von Mohammed Atta an Ramzi Binalshibh, in dem er das Datum des Anschlags als Rätsel getarnt mitteilte: 'Zwei Stöcke und ein Kuchen mit einem Stock dran' für11.9. Es war absurd."
Außer dem Interview enhält das Buch ausführliche Informationen über die Biografien der Attentäter, die Festnahmen von Binalshibh im September 2002 und von Khalid Sheikh Mohammed im März 2003 und die Struktur von Al Kaida. "Al Kaida wird wie ein internationaler Konzern geführt", sagt Yosri Fouda. "Osama bin Laden ist der Präsident, Khalid Sheikh Mohammed war der Vorstandsvorsitzende, der Mann der Tat, und Ramzi Binalshibh war der gute Geist der Firma, derjenige, der am Morgen als erster da ist und am Abend als letzter geht. Al Kaida betreibt Terror als Business."
Nicht zuletzt dokumentiert "Masterminds of Terror" die Weltsicht der Terroristen und bietet damit einen ungewöhnlichen Einblick sowohl in die Mechanismen der Organisation als auch in die Köpfe ihrer Kader. Yosri Fouda: "Durch meine Interviews habe ich auch die menschlichen Dramen, die auf Seiten der Täter dahinter stehen, mitbekommen, all ihre Hoffnungen, Visionen und Ängste, so seltsam sie auch sein mögen."
Auch wenn Al Kaida mit der Verhaftung von Ramzi Binalshibh und Khalid Sheikh Mohammed einen empfindlichen Schlag hinnehmen musste, ist die Terrorgefahr längst nicht gebannt. Nick Fielding: "An den jüngsten Anschlägen in Riad und in Casablanca sieht man, wie die neue Generation von Al Kaida arbeitet. Während der 11. September eine große logistische Aktion mit internationalem Personal und weltweiter Vernetzung war, sind es jetzt lokale Zellen, die in eigener Regie kleinere Anschläge ausführen. Sie sind nicht so gut ausgebildet wie die Attentäter des 11. September, aber sie sind in der Lage, jederzeit und überall unerwartet zuzuschlagen."
*** Der Artikel ist nicht mehr im WDR Archiv zu finden!
Link:
web.archive.org/web/20030625104938/http:...egel/20030601/6.html